Leserbrief von Dr. Andreas Kronenberg, Experte für Atomenergie, zum Artikel vom 11. März in der FAZ „Die Renaissance der Atomkraft“:

Bei dem an sich ausgewogenen Artikel über den deutschen Alleingang beim Atomausstieg lässt eine Bemerkung am Ende aufhorchen. Die Autoren stellen fest, dass „auch in der Wissenschaft“ die Befürworter (der Kerntechnik) „rar geworden“ sind. In Äußerungen von Journalisten und Politikern wird immer wieder der Eindruck erweckt, dass sich die(!) (eine) Wissenschaft in Fragen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz einig ist. Dabei ist der Konsens grundsätzlich nicht das Merkmal von Wissenschaft! Egal, ob Atomkraft, Energiewende, Klimawandel, Verbrennungsmotoren, Düngemittelverordnung, Corona oder Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen u.v.m. die Medien zitieren selbsternannte Experten oder Bewegungen, wie „Fridays for Future“, die sie selbst „hochstilisiert“ haben. Die „Experten“ (ein Begriff, der nirgends geschützt ist, jeder kann sich zum „Experten“ küren) dienen nur noch der Bestätigung einer Meinung, die vertreten werden muss. Aber wo ist die Expertise des im Artikel zitierten Ökonomen in Bezug auf CO2-Neutralität von Energieerzeugungsarten? Hier wäre ein Naturwissenschaftler oder Ingenieur sicher geeigneter gewesen, diese Frage zu beantworten! Zunehmend wird öffentlich die fehlende Diskussionsbereitschaft im Regierungsstil von Frau Merkel beklagt, dabei ist dieser Stil längst gesellschaftsfähig geworden. Was mit der Atomkraft vor Jahrzehnten anfing, ist längst zum „Erfolgsmodell“ in einem ideologisierten „Klassenkampf“ geworden. Meinungen gegen den vermeintlichen „Mainstream“ werden als irgendwie „unanständig“ gebrandmarkt. Wer heute für Kerntechnik eintritt, ist ein Außenseiter, ein „Verrückter“, „ein ewig gestriger“ oder um ihn gänzlich zu diskreditieren ein „AfD-naher“ (und es kann hier natürlich nur ein weißer heterosexueller Mann mittleren Alters und überdurchschnittlichen Einkommens sein, weshalb es auch gestattet ist, auf die geschlechterneutrale Form zu verzichten). Längst (mindestens seit Corona) verlaufen die „Fronten“ in den Diskussionen quer durch die Gesellschaft, nein schlimmer noch, quer durch unsere Familien. In unseren Schulen müssen Aufsätze oder Vorträge zur Kernenergie die Gefahren herausarbeiten, nicht etwa irgendwas positives. Sonst gibt es eine schlechte Note.

Die Frage, die ich aber aufwerfen möchte, ist doch, ob es überhaupt noch eine Wissenschaft gibt, die die Atomkraft befürworten, ja überhaupt beurteilen (und auch das Endlagerproblem adäquat verantwortungsvoll lösen) kann. Seit der Amtszeit von Jürgen Trittin als Umweltminister wurden Lehrstühle reihenweise geschlossen, Professuren nicht (oder mit anderen Themen) wiederbesetzt, und Forschungsgelder gestrichen. Was ist aus den großen deutschen Lehrstühlen zur Kerntechnik und zur Radiochemie geworden? Sie sind schlicht nicht mehr vorhanden! Die FAZ berichtete Ende August letzten Jahres über die „Atom-Demos mal anders“. Leute, die für Atomkraft auf die Straße gehen, dass ist doch eine Kuriosität, die auf Seite 25 kurz vor dem Kreuzworträtsel und dem Horoskop noch Platz hatte, erwähnt zu werden.

Mit Svenja Schulze hat die Ideologisierung der Umweltpolitik ganz neue Maßstäbe erreicht; hier wird auch auf EU-Ebene zum Beispiel die Aussage, dass Kernenergie nachhaltig ist, „bis aufs Messer bekämpft“. Gutachten des Hauses gehen an der SPD genehme Antiatomkraft-Leute (Entschuldigung Experten), auch wenn es – wie im letzten Jahr – um eine Einschätzung der Generation IV gehen sollte. Die CDU guckt tatenlos zu. Am Ende wurde die Studie für das Büro für Technikfolgenabschätzung gar nicht vergeben, weil man wohl das Ergebnis fürchtete. Zum Jahrestag von Fukushima wettert Frau Schulze (Studium der Germanistik und Politikwissenschaften) dass man endlich auch die Zulieferindustrie in der Kerntechnik schließen sollte, kostet es Abfindungen was es wolle. Sie wolle „Mythen“ zur Kernenergie verhindern und würde auch heute noch jungen Menschen ein Studium der Kernphysik empfehlen. Nur weiß die gute Frau Minister wohl herzlich wenig über die deutsche Kernphysik und den Zusammenhang zum Gebiet Endlagerung.

Dabei ist dem informierten Wähler längst klar, dass die ums Überleben kämpfende SPD sich mit Themen der GRÜNEN zu retten versucht, obwohl es gerade die SPD war, die die Kernkraft massiv in Deutschland ausgebaut hatte. Was interessiert mich mein „Geschwätz von gestern“ denken die Genossinnen, und wiederholen gebetsmühlenartig längst „abgedroschene Phrasen“ vom angeblich ungelösten Atommüllproblem. Ja, wenn man alle Lösungsversuche ignoriert, dann reitet man ein „totes Pferd“. Und so spricht Frau Schulze selbst dann noch vom Atommüll, obwohl sie explizit auf neue Reaktorkonzepte angesprochen wurde, die diesen „Müll“ verbrennen sollen. Die „Mythen“ entstammen wohl eher Frau Schulze als den fleißigen Entwicklungsingenieuren neuer Reaktorkonzepte. Dabei ist das Thema mit den „small modular reactors“ (SMR) hoch interessant für wirklich wissbegierige Ingenieurstudenten (multidisziplinär und der reine „Urknall“ einer nobelpreisverdächtigen Wissenschaftsdisziplin, die von modernen Materialien, Antriebsarten bis Nanotechnologie alles bereithält.) Früher zog die Kerntechnik die hellsten Köpfe an, in den Institutskolloquien gaben sich die Nobelpreisträger die Klinke in die Hand. Man wollte es studieren, um „ganz vorn“ dabei sein zu können. Dies wäre heute mit ganz neuen Reaktorkonzepten wieder möglich, aber wohl der Albtraum von Frau Schulze. Auch die Dänen sind nicht gerade atomkraftfreundlich und trotzdem gibt es gleich zwei Start-ups in Kopenhagen. Copenhagen Atomics“ (eines der Start-ups in Dänemark) bekam vor kurzem einen 8-stelligen Förderbetrag aus privater Hand, um ihren Reaktor zu demonstrieren. Am „World Uranium Institute“ (WUI GmbH) in Schüttorf/Niedersachsen fragt man sich, wieso man die Strahlung nicht nutzen will, um z.B. Isotopenbatterien daraus zu bauen, die keinerlei chemisch-physikalische Limits, wie die elektrochemischen Zellen, haben. Forschung zu solchen Ideen, die in den USA mit Millionen an Fördermitteln bezuschusst werden, sind in Deutschland tabu. „Das Thema Atom ist durch“, hört man auch von der CDU, weil auch konservative Politiker den „Shitstorm“ der Atomkraftgegner und der Medien fürchten. So ist in den Ausschreibungen zur Forschungsförderung der Ministerien die Kerntechnik immer explizit ausgeschlossen. Bei München entsteht ein Forschungszentrum, wo man laserinduzierte Kernfusion demonstrieren will (private Geldgeber anstatt des Staates sind hier eingesprungen, um die Idee zu realisieren). Das WUI entwickelt einen Plasmareaktor, der durch Kernspaltung angetrieben wird, ganz ähnlich zum Münchner Projekt. Das WUI entwickelt aber auch innovative Mini-Reaktoren, die z.B. die emissionsfreie Schifffahrt ermöglichen könnten, wenn unsere Mitbürger nicht ständig mit Angst und Panik zu Strahlung und Kernkraft verunsichert werden würden. Die Entwicklungen lassen sich nicht aufhalten, mit keiner Ideologie der Frau Schulze.

Dr. Andreas Kronenberg

Kategorien: Gastbeitrag