Bei dem gestrigen Weltwirtschaftsforum hätte die Stimmung durchaus besser sein können. Die größte Sorge der Topmanager ist derzeit der andauernde Konflikt zwischen China und den USA. Für Experten stehen dabei nichtmehr nur Zölle und Handel im Mittelpunkt. Die Auswirkungen des Streits werden jedenfalls nicht nur die beiden Länder zu spüren bekommen.

Chinas Weltwirtschaft ist auf einem 28-Jahres-Tief. Wie die nationale Statistikbehörde des Landes jetzt mitteilte, wuchs Chinas Wirtschaft im vergangenen Jahr lediglich um 6,6 Prozent. Das entspricht dem geringsten Anstieg des Bruttoinlandprodukts seit 28 Jahren. Immer öfter werden außerdem Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der von der chinesischen Regierung veröffentlichten Zahlen laut. Womöglich lag das Wirtschaftswachstum des Jahres 2018 deutlich niedriger als offiziell angegeben. Das US-Forschungsinstitut Conference Board schätzt den tatsächlichen Wert beispielsweise auf nur 4,1 Prozent. Das Tief lässt sich zum einen auf den Versuch der chinesischen Regierung zurückführen, die enorme Staatsverschuldung einzudämmen. Dafür wurden auch große Infrastrukturprojekte stark zurückgefahren. Aber auch die derzeit mehr als kritischen Handelsbeziehungen zu den USA könnte eine der Hauptursachen für den Wirtschaftsrückgang darstellen. Für den Streit zwischen den Ländern ist das amerikanische Handelsbilanzdefizit mit China verantwortlich, das Donald Trump ein Dorn im Auge ist. Können sich die USA und China bis zum 1.März nicht einigen, treten US-Strafzölle in Kraft, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit chinesischen Zöllen beantwortet werden.

„Es geht längst nicht mehr nur um den Handel, sondern um den strategischen Wettbewerb zwischen den USA und China – vor allem in der Digitalwirtschaft“, sagt Finanzexperte Phillip Hildebrand, Vizechef des weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock, „das ist ein grundlegender Konflikt, der auch nicht verschwinden wird, wenn Trump nichtmehr im Amt ist.“ Während sich die Staaten beim Warenhandel meist gut ergänzt hätten, sei bei der Technologie nun ein harter Kampf entbrannt, erklärt die chinesische Ökonomin Jin Keyu. Ein Konflikt zwischen zwei Handelsgroßmächten, der für Europa ungemütlich werden könnte. Im Vergleich zu China und den USA kann der Kontinent beim Thema „Digitalisierung“ nicht mithalten. „Unter den derzeit zehn größten Technologieunternehmen weltweit sind sieben amerikanische und drei asiatische Konzerne – kein einziger aus Europa“, kritisiert UBS-Manager Axel Weber, „es gehört zu einem guten Risikomanagement, sich auch technologisch nicht so abhängig zu machen, wie Europa das derzeit ist.“

Welchen enormen Einfluss die derzeitigen Handelskonflikte auch auf Deutschland haben, zeigen die schlechten Wachstumsprognosen für die diesjährige Wirtschaft. Nach Informationen des „Spiegel“ erwartet die Bundesregierung eine drastische Eintrübung der Konjunktur mit nur 1,0 Prozent Wirtschaftswachstum. Damit würden die Herbstprognosen von 1,8 Prozent fast halbiert werden. Dieser Trend hatte sich bereits Ende 2018 gezeigt. Auch wenn die Binnennachfrage weiterhin intakt bleiben soll, leiden bereits jetzt die Exporte. Verantwortlich dafür sind die schwelenden Handelskonflikte, sowie der noch ungeklärte Austritt Großbritanniens aus der EU und die Folgen der Dieseldebatte.

Auch die amerikanische Konjunktur bekommt den Konflikt mit China zu spüren. Während für Deutschland die Prognosen bereits für 2020 wieder steigen, sind die sinkenden Zahlen für die USA eher langfristig angelegt. So werden für dieses Jahr noch 2,5 Prozent Wachstum vorhergesagt, im darauffolgenden Jahr nur noch 1,8 Prozent. „Die Expansion in den USA hält an, aber die Prognose geht von einer Abschwächung nach dem Auslaufen der fiskalischen Anreize aus“, schreibt der Internationale Währungsfonds IWF. 2018 dürfte die weltgrößte Volkswirtschaft wegen der Impulse der Steuerreform auf 2,9 Prozent zugelegt haben. Große Gefahren für das Wachstum stellen jetzt jedoch der Handelsstreit mit China, sowie der länger anhaltende Haushaltsstreit innerhalb in der Landes dar.

Der IWF mahnt aufgrund der alarmierenden Zahlen jetzt zur internationalen Zusammenarbeit. „Die hauptsächliche politische Priorität für alle Staaten ist nun, ihre Handelsstreitigkeiten und die daraus resultierende politische Unsicherheit gemeinsam und schnell zu lösen, statt schädliche Barrieren hochzuziehen und eine sich bereits abschwächende Weltwirtschaft weiter zu destabilisieren.“