MdEP Buchheit: Immer schön die Welle reiten
Wenn es um den Machterhalt mit Lippenbekenntnissen geht, ist der bayerische Ministerpräsident kaum zu toppen. Markus Söder ist ein Polit-Chamäleon der absoluten Spitzenklasse. Doch die inhaltliche Mimikry des passionierten Faschingsnarren hat offenbar zu nichts geführt, denn der CSU-Chef befindet sich im aktuellen Umfragetief.
Der Bayernmonitor der Augsburger Allgemeine stellt Ende Februar dieses Jahres fest, dass nur ein Drittel der Menschen in Bayern mit Ministerpräsident Söder zufrieden ist. 54 Prozent der Menschen in Bayern stellen Söder aktuell kein gutes Zeugnis aus, heißt es. Hat der selbsternannte Corona-Obersheriff diese Umfrage-Klatsche verdient? In welchen Wind lässt sich sein Mäntelchen zur Wählertäuschung nun hängen? 2020 war genau das für den ambitionierten Möchtegern-Kanzler eigentlich einfach. Das politische Surf-Talent aus Nürnberg spürte den zeitgeistigen Trend zur ökologischen Weltrettung und sprach sich auf dem CSU-Parteitag für eine Wende in der Verkehrspolitik aus: „Ich bin sehr dafür, daß wir uns ein Enddatum setzen, ab dem Zeitpunkt, an dem fossile Verbrenner mit fossilen Kraftstoffen nicht mehr neu zugelassen werden können“, sagte er. Als adäquates „Enddatum“ setzte Söder das Jahr 2035, ganz nach dem Vorbild von Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom. Schon 2019 titelte die Presse „Söder setzt auf grün“, denn 2018 hatten die Grünen mit satten 18% bei der Landtagswahl in Bayern den zweiten Platz geholt. Ansporn genug für den ehrgeizigen Franken, im Öko-Teich zu fischen und zu lesen war: „Angesichts des Höhenfluges der Grünen in Bayern und bundesweit greift Söder konsequenterweise nun die vor allem von der Jugend forcierte aktuelle Debatte um den Klimaschutz auf.“ Vor den Bundestagswahlen 2021 dann das gleiche Spiel. Im „Stern” schwärmt Söder von Schwarz-Grün in Berlin. Eine derartige Koalition könne nicht nur “die ganz große Frage unserer Zeit” in den Blick nehmen, sie würde auch die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie bedeuten. Hamburgs CDU-Landeschef Christoph Ploß zeigte sich wenig begeistert und wird vom ZDF zitiert: “[D]ie Grünen haben mit bürgerlicher Politik wenig zu tun.” Nicht ganz so old school Markus Söder, der allerdings zur Kenntnis nehmen muss, was der Bayernmonitor bezüglich der Grünen feststellt: „Die Partei rutscht laut Umfrage von 18 auf 14 Prozent ab. Innerhalb eines Jahres verlor die Partei in der Umfrage damit neun Prozentpunkte an Zustimmung. Die Grünen müssen sich damit den zweiten Platz im Freistaat mit der SPD teilen.“ Schreck lass nach! Doch Söder bleibt nicht untätig und reduziert seine rührende Liebe zu ökologischen Themen bei dem Besuch des Klimaschutzministers Habeck am 20. Januar in Bayern. Denn zwischen Habeck und Söder herrscht bei den geplanten Flächenzielen für Windkraft Dissens. Aus dem Klimathema, „der ganz große[n] Frage unserer Zeit” ist für den Franken „ein Zukunftsthema, aber auch eine Mega-Herausforderung“ geworden und fordert auch jüngst eine mehrjährige Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Doch Doppelzüngigkeit und Wendehalsmentalität sind nicht Söders Exklusiv-Attribute. Auch der CSU-Schwabe Markus Ferber hat vom Meister gelernt und präsentiert als wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament großspurig seine Überlegungen zu einem „Masterplan für ihre Industriepolitik“, den die EU dringen benötige. Nun könnte man meinen, dieser Masterplan wäre der sogenannte „GreenDeal“, den die EVP-Fraktion maßgeblich im EU-Parlament abnickte, doch gefehlt. Ferber versucht lediglich in Erkenntnis des Lieferkettenproblems den Vorschlag zur Stärkung der europäischen Chip-Industrie (Chips Act) der EU-Kommission „an den Mann zu bringen“. Das heißt im Klartext, dass an der ökosozialistischen Planwirtschaft a la von der Leyen nicht gerüttelt wird, aber ein pseudo-modernes Konzept der ökonomischen Anpassung verkauft wird.
Das Handelsblatt zitiert Ferber, der meint, in anderen Branchen gäbe es vergleichbaren Handlungsbedarf. Also nicht nur in der Halbleiterindustrie wurden von EU-Verantwortlichen Defizite ausgemacht, was kaum wundert. Immerhin stellt der Redakteur des Wirtschaftsblattes fest: „Man kann zwar die Frage aufwerfen, inwiefern die von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte Summe von 43 Milliarden Euro tatsächlich dazu beiträgt, die Lücke gegenüber der asiatischen und US-amerikanischen Konkurrenz zu schließen. Immerhin investieren die dortigen führenden Unternehmen im kapitalintensiven Chip-Sektor so viel in einem Jahr wie Europa bis zum Ende der Dekade zusammenbringen will. Dennoch ist der Chips Act eine erfreuliche Kehrtwende in der europäischen Industriepolitik, die bisher selten über Strategiepapiere hinausgekommen ist.“
Schuld haben aus Ferbers Sicht natürlich diejenigen Länder der Europäischen Union, die ihre angeblich nationalen Egoismen pflegen und auf ein antiquiertes Wettbewerbsrecht setzen. So sind europäische Unternehmen kaum in der Weltspitze vertreten. Doch der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion erkennt recht geschickt, dass das „klimapolitische Paket „Fit for 55“, die verschärften Beihilferegeln für energieintensive Unternehmen und neue Berichtspflichten […] aus Sicht der Wirtschaft nichts anderes als ein Belastungsmarathon [sind]. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb, denn dieses Problem wird auch ein gut gemeinter CO2-Grenzausgleichsmechanismus nicht lösen können – sofern er überhaupt mit den Regeln der Welthandelsorganisation in Einklang gebracht werden kann.“ Gut, doch wieso hat nun aber die dafür ursächliche „grüne Strategie“ der EU die Zustimmung der EVP erhalten? Jetzt wieder zurückzurudern, ist sattsam bekanntes Merkmal der Bauernfängerstrategie der CSU, bzw. aller Parteien des bürgerlichen Lagers. Wie Menetekel an der Wand zeichnet sich nämlich mittlerweile die völlig verfehlte Energiewende der Ex-Kanzlerin Merkel ab. Die Geld- und die Industriepolitik der EU, die auf gar keinen Fall den etablierten und profitablen Sektoren dienen, sondern Deutschland in eine Haftungs- und Schuldenunion pressen und einen Reset in die Wege leiten, wo ein Relaunch vonnöten wäre – diese Wirtschaftspolitik bringt katastrophale Ergebnisse, die schön geredet werden müssen, um das eigene politische Großversagen zu bemänteln.
MdEP Markus Buchheit