Gerold Otten: Als Mitglied der deutschen Delegation im NATO-Parlament

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Seit 1955 begleitet und hinterfragt die Parlamentarische Versammlung der NATO (NATO PV) die sicherheits- und verteidigungspolitische Arbeit der NATO (North Atlantic Treaty Organisation). Die NATO PV, bestehend aus europäischen und nordamerikanischen Parlamentariern der Mitgliedsstaaten sowie aus Abgeordneten assoziierter Staaten zu denen auch die Ukraine gehört, kommt zweimal jährlich im Rahmen einer Frühjahrs- bzw. einer Herbsttagung zusammen. Seit Besetzung der Krim ist der assoziierte Status Russlands allerdings ausgesetzt. Der Bundestag entsendet 12 Abgeordnete, der Bundesrat sechs Mitglieder. Für die AfD gehöre ich seit 2017 als einziges ordentliches Mitglied der Deutschen Delegation an.

Als Veranstaltungsort der diesjährigen Frühjahrstagung der NATO PV war schon seit längerem die Hauptstadt der Ukraine, Kiew, geplant. Angesichts der sich abzeichnenden Spannungen mit Russland hatte ich mich schon früh gegen die Durchführung an dem Ort ausgesprochen, weil ich dies für eine unnötige Provokation Russlands halte. Durch die Kriegsereignisse in der Ukraine wurde als Ersatztagungsort kurzfristig auf Vilnius in Litauen ausgewichen. Dort war ich vom 26. - 30. Mai Teilnehmer. Nach Kiew wäre ich aus den genannten Gründen allerdings nicht gefahren.

Ich habe in Litauen vor Beginn der Tagung auch noch unsere Soldaten am Standort Rukla besucht, die dort für 6 Monate als Teil der „NATO enhanced Foreward Presence“ stationiert sind, um mir ein Bild über deren Lage vor Ort zu machen.

Das alles überstrahlende Thema bei der Frühjahrstagung war natürlich der Krieg in der Ukraine. Dort gab es u.a. auch Live-Zuschaltungen direkt von der Front oder mit dem ukrainischen Verteidigungsminister. Besonders die Forderung nach der Lieferung von Waffen wurde immer wieder vorgetragen. Erkennbar war, dass je näher die Nationen an Russland grenzen desto schärfer waren die Forderungen nach Waffenlieferungen und Sanktionen gegen Russland.

Am Rande der Tagung hatten wir auch ein Treffen mit der ukrainischen Delegation unter Leitung des stellvertretenden Parlamentspräsidenten der Werchowna Rada. Auch hier stand wieder von ukrainischer Seite die Forderung nach Waffenlieferungen im Vordergrund. Damit wolle man Russland besiegen und die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen.

Während es in dem Gespräch der Mehrheit der deutschen Delegation nur darum ging, wie möglichst schnell, möglichst viele, im Besonderen „schwere“ Waffen in die Ukraine gebracht werden können und sich dabei für angebliche Verzögerungen bei der Lieferung fast zu entschuldigen, habe ich knapp 100 Tage nach Beginn des Krieges die Frage nach einer politischen Lösung des Krieges gestellt und welche Möglichkeiten zur Beendigung der Kampfhandlungen gesehen werden, denn dort sterben pro Tag ca. 200 Soldaten und Hunderte werden verwundet. Von den zivilen Opfern ganz zu schweigen. Meine Frage wurde nur dahingehend beantwortet, dass Kriegsziel sei „Russland besiegen“ und das Land mit Hilfe der Waffenlieferungen komplett befreien!

Während man zu Beginn des Krieges von wenigen Wochen Dauer ausging, spricht der NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg mittlerweile davon, der Krieg könne vielleicht Jahre dauern. Dies hätte dramatische humanitäre und wirtschaftliche Folgen für uns alle. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Menschen leiden und sterben, während gleichzeitig die Gewinne der Kriegsgewinnler explodieren und es weltweit zu Problemen bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen kommt.

Mit der kürzlich von Litauen verhängten Teilblockade von Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, erreicht der Konflikt leider eine neue Eskalationsstufe und gefährdet unmittelbar auch unsere in Litauen stationierten deutschen Soldatinnen und Soldaten.

Als Abgeordneter im Deutschen Bundestag fordere ich deshalb die Bundesregierung auf, dringend alle Kanäle einschließlich der NATO zu nutzen, um deeskalierend auf die zügige Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine hinzuwirken, mit dem Ziel einer stabilen Nachkriegsordnung.

MdB Gerold Otten

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