Das wirtschaftliche Reformprogramm der AfD – ein Arbeitspapier von MdL Franz Bergmüller in Zusammenarbeit mit Jurij Kofner und Kurt Bankhofer! Hier wird die Veröffentlichung in den kommenden Wochen Stück für Stück vorgestellt.

Europa, D-Markt und Außenhandel

Deutschlands wirtschaftliche Prosperität hängt wie kein anderer vom Welthandel und internationalen Wertschöpfungsketten ab. Fast jeder dritte Euro der deutschen Volkswirtschaft wird durch Exporte erwirtschaftet.
Und die EU ist ohne Zweifel der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Doch entgegen der verbreiteten Meinung will die AfD keine neuen Handelsbarrieren mit den europäischen Nachbarn aufbauen. Korrekterweise fordert sie jedoch eine weitere Zentralisierung des EU-Apparats in der Finanz-, Schulden-, Industrie- und Kulturpolitik zu verhindern und gleichzeitig die unbestrittenen historischen Errungenschaften der europäischen Integration aufrechterhalten: den Binnenmarkt für den Handel mit Waren und Dienstleistungen, die Personenfreizügigkeit, die Zollunion und Freihandelsabkommen mit Drittstaaten, Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit, sowie natürlich den europäischen Frieden. Dies würde Verhandlungen über eine Reform der EU hin zu einer neuen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG 2.) bedeuten.

Eine weitere Forderung der „Alternativen“ ist die Rückkehr zu einer normalen und stabilen Geldpolitik durch den Austritt aus dem Euro und die Wiedereinführung der D-Mark.
Schätzungen des Autors auf Basis von Berechnungen der DZ-Bank und der Bundesbank zeigen, dass eine Rückkehr zu einem positiven Zentralbankzins den privaten Sparern zugutekommen würde, die derzeit durchschnittlich 34,5 Mrd. Euro jährlich durch den Negativzins verlieren (Nettowert, ergo verrechnet mit „billigeren“ Krediten), gleichzeitig aber die Verschuldungsfähigkeit des deutschen Staates signifikant beinträchtigen würden, da dieser dank der ultraexpansiven Geldpolitik der EZB derzeit 49,2 Mrd. Euro pro Jahr weniger Zinsen zahlen muss.

Kombiniert man diese Erkenntnisse mit einer vorherigen umfassenden Dexit-Studie des Autors, die interne Kosten-Nutzen-Analysen und Teilgleichgewichtsmodelle sowie externe Außenhandel-Schwerkraftmodelle verwendet, können folgenden Schätzungen vorgenommen werden:
Über die Befreiung der Sparer von den Negativzinsverlusten und über die Wechselkurseffekte, d. h. die Verbilligung der Einfuhr von Vorprodukten für die heimische Industrie, würde die Wiedereinführung der nationalen Währung das deutsche BIP um 1,3 Prozent (41,4 Mrd. Euro) steigern und jeden Bundesbürger somit um 500 Euro reicher machen.

Die Liberalisierung der EU hin zu einer neuen EWG 2.0 würde den Bund von den meisten seiner Nettotransferzahlungen an den EU-Haushalt (mehrjähriger Finanzrahmen) und an den Corona-Wiederaufbau-Fonds (NGEU) in Höhe von 27,7 Mrd. Euro entlasten. Diese freigewordene Summe könnte somit im Inland ausgegeben oder zum Abbau der Staatsschulden verwendet werden.

Neben dem Freihandel innerhalb Europas will die AfD auch die Freihandelsverhandlungen mit anderen Weltregionen neu beleben. Unter dem Motto „Wandel durch Handel“ soll Berlin über die EWG 2.0 unabhängig von unterschiedlichen Ansichten zu Menschenrechten, moralischen Werten und politischen Regimen der potentiellen Partner die Handels- und Wirtschaftskooperation mit diesen stärken. Eine frühere Metastudie des Autors zeigte, dass die Unterzeichnung von Freihandelsabkommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Afrikanischen Union, der ASEAN sowie den USA und dem Mercosur – beides müsste ihre bekannten Kontroversen, würde Deutschlands Bruttoinlandsprodukt um 4,1 Prozent (133,4 Mrd. Euro) oder 1.600 Euro pro Kopf steigern.

Lieferkettengesetze

Die Einhaltung bestimmter sozialer und ökologischer Standards ist eine wichtige Aufgabe der Sozialen Marktwirtschaft. Nach Ansicht des deutschen ordoliberalen Ökonomen Walter Eucken (1952) gehört sie im Inland zur regulierenden Rolle des nationalen Ordnungsrechts. Auf globaler Ebene kann dieses „öffentliche Gut“ jedoch am besten durch internationale Beziehungen bereitgestellt werden. Hier ansetzend schützt Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie die Umwelt mehr als ein nationaler oder überregionaler (EU) Alleingang.

Die Bundesregierung hat bereits und die Europäische Kommission plant die Einführung von Lieferkettengesetzen, nach denen deutsche und europäische Unternehmen zur Rechenschaft gezogen, haftbar gemacht und mit Geldstrafen belegt werden können, wenn sie die Missachtung von Kindern, Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltstandards ihrer ausländischen Lieferanten innerhalb ihrer Wertschöpfungsketten billigen oder sogar fördern.

Nach Meinung führender Wirtschaftsforschungsinstitute (z. B. Kieler Institut für Weltwirtschaft, IW Köln) und Wirtschaftsverbänden (z. B. BDI, BDA, DIHK) hat dieser Ansatz jedoch erhebliche Nachteile und wird tatsächlich den gegenteiligen Effekt haben.

Das Problem ist nicht, dass deutsche Unternehmen angeblich Gesetzes- oder Umsetzungslücken in den Lieferländern ausnutzen, sondern die Lücken selbst. Denn viele Schwellen- und Entwicklungsländer haben Schutzkonventionen im Kinder-, Arbeits-, Menschen- und Umweltrecht zwar formal ratifiziert, aber noch nicht umgesetzt.

Daher sollten deutsche Unternehmen nicht die Last einer unzureichenden Sozial- und Umweltpolitik in diesen Ländern tragen. Wie die Klimapolitik ist dies ein globales Problem, dem nur eine globale Lösung gerecht werden kann.

Die Bundesregierung und die Europäische Kommission sollten daher das geplante Lieferkettengesetz und die EU-Gesetzgebung zur Unternehmensverantwortung ablehnen. Stattdessen sollten sie auf maximal multilateraler Ebene die Regierungen der Lieferländer dazu bringen, international anerkannte soziale und ökologische Standards de facto umzusetzen.

Dies wird durch folgende Mittel erreicht werden:
Signalisierung einer möglichen Kürzung der Entwicklungshilfe. Im Jahr 2019 lag Deutschland bei den öffentlichen Entwicklungshilfeausgaben (ODA) im Verhältnis zum BIP auf Platz 4: 0,6 Prozent oder 25 Milliarden US-Dollar.

Signalisierung potenzieller handelspolitischer Strafmaßnahmen, die nach Artikel XX GATT zulässig sind, wenn sie sich als notwendig erweisen, um die Rechte von Mensch und Natur zu schützen.
Signalisierung möglicher Sanktionen, z.B. mithilfe des Negativlisten-Ansatz nach US-amerikanischem Vorbild, der ausländischen Unternehmen, die nachweislich Fehlverhalten begangen haben, die Teilnahme an deutschen und europäischen Wertschöpfungsketten verbietet. Wie beim Kaskadenprinzip wird man die Prüfpflichten für inländische Unternehmen auf ausländische Lieferanten übertragen.
Die Verpflichtung von Außenhandelspartnern zur Ratifizierung und Umsetzung sozialer und ökologischer Standards, z.B. der ILO-Konventionen, wird ein wichtiger Bestandteil neuer Handelsabkommen zwischen der EU und Drittstaaten werden. Die Strenge der Forderungen müsste jedoch jeweils individuell und gemeinsam entschieden werden, je nach aktuellem Entwicklungsstand des jeweiligen Partnerlandes („Recht auf Regulierung“).

Lieferengpässe

Der Mangel an Vorprodukten ist für die deutsche Industrie zu einem ernsten Problem geworden. Die Gründe für die aktuellen Lieferengpässe und den Preisanstieg vieler Rohstoffe sind vielfältig. Gleichzeitig kamen verschiedene Trends und Events zusammen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Engpässe bei der Anlieferung von Rohstoffen zu beheben. Erstens muss mehr in große Transportlogistikprojekte investiert werden, um Alternativen zum Suezkanal zu haben.
Beispiele sind der Ausbau der Nordseeroute im Arktischen Ozean Russlands und die von der wiiw vorgeschlagene Errichtung einer „Europäischen Seidenstraße“ als westliche Verlängerung des kontinentalen „Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtels“ Chinas. Laut einer Gravitationssimulation des niederländischen Amtes für Wirtschaftspolitik (CPB) wird die Eröffnung der Nordseestraße Deutschlands BIP um fast 0,3 Prozent steigern, während die „Europäische Seidenstraße“ nach wiiw-Berechnungen , wird das deutsche BIP um 0,7 Prozent steigern.

Zweitens sollten Anstrengungen zur Diversifizierung der Importe unternommen werden, um die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten wie China zu verringern. Eine Metastudie des MIWI-Instituts zeigt, dass eine regionale Freihandelsagenda zwischen der EU mit den USA, der EAWU, der Afrikanischen Union, dem Mercosur und der ASEAN das deutsche BIP um 4,1 Prozent steigern würde.
Beide strategischen Optionen – die Verbesserung und Diversifizierung der Handelswege – sind langfristig angelegt und müssen daher auf Bundestags- und EU-Ebene gefördert werden.

Eine weitere langfristig ausgelegte, aber wichtige, Maßnahme ist die Verstetigung der staatlichen Investitionsaktivitäten in Infrastrukturprojekte.
Inwieweit es möglich und ratsam wäre, die Verlagerung von Produktionskapazitäten zurück nach Deutschland zu fördern, ist eine komplexe Frage gezielter Wirtschaftsforschung. Sicher ist jedoch, dass angesichts der derzeit höchsten Strompreise, Steuern und bürokratischen Belastungen in Deutschland ein solcher Versuch mit der jetzigen Regierung nur sehr schwer umsetzbar wäre.
Führende deutsche Ökonomen wie das ifo-Institut schlagen daher vor, dass die Bevorratung kritischer Rohstoffe die wirtschaftlich sinnvollste Form der Krisenprävention bei solchen Versorgungsengpässen ist.
Ein staatliches Beschaffungs- und Speichersystem oder ein Speicherauftrag für private Unternehmen wäre suboptimal, da dies einen weiteren Verstoß gegen die Grundsätze der freien Marktwirtschaft darstellen würde.
Aus den oben genannten Gründen wäre eine sinnvolle und mittelfristig umsetzbare Option die Einführung steuerlicher Anreize, die private Unternehmen dazu veranlassen würden, ihre Lagerbestände an bestimmten kritischen Rohstoffen aufzustocken. Die AfD wird daher eine Steuerbefreiung für private Unternehmen für die Lagerung bestimmter kritischer Rohstoffe einführen.
Kurzfristig zur Entspannung der Versorgungslage soll die EU eine zeitlich begrenzte Herabsenkung oder Aufhebung der EU-Import- und Sonderzölle sowie der Anti-Dumping-Maßnahmen auf Baumaterialien und kritische Rohmaterialien einführen. Diese Zollreduzierungen könnten bestehen bleiben, solange bis der Binnenpreis für diese Güter wieder unter ein bestimmtes Niveau fällt.

Kategorien: Politik