Ein Bericht von Franz Bergmüller, Metzgermeister, Immobilienunternehmer und bayerischer Landtagsabgeordneter aus Rosenheim:
Die Bayerische Gemeindezeitung veranstaltete kürzlich das erste Kommunalfinanzforum in München. Die Tagung behandelte die Frage, wie solide die kommunalen Haushalte in Bayern derzeit noch aufgestellt sind und welche finanziellen Probleme auf Städte und Gemeinden zukommen. Der designierte Präsident des Bayerischen Städtetags, Johann Kronauer, verdeutlichte die Haushaltslage anhand der jüngsten Zahlen aus der bayerischen Statistik. Während die Steuereinnahmen weitestgehend konstant seien, hätten die Ausgaben der Kommunen stark zugenommen. Das hieraus entstandene Defizit könne bislang nur durch die Aufschiebung von erforderlichen Investitionen bei gleichzeitiger Kreditaufnahme kompensiert werden. Der Finanzierungssaldo der bayerischen Kommunen sei zuletzt 2020 positiv gewesen und habe sich seitdem mit jedem Jahr stärker in den negativen Bereich verschoben. Allein im ersten Halbjahr 2025 habe das kommunale Defizit bereits 4,5 Mrd. Euro betragen. Gleichzeitig seien die Kreditaufnahmen von Städten und Gemeinden im Vergleich zu 2024 um 70 Prozent angestiegen. Trotz dieser hohen Neuverschuldung seien die Sachinvestitionen innerhalb eines Jahres um 14 Prozent zurückgegangen, weil man die Mittel für steigende Ausgaben in den Bereichen Personal, Soziales und sonstigem Sachaufwand benötigt habe. Bayern befinde sich demnach in einer Spirale aus stagnierenden Steuereinnahmen und steigenden Ausgaben, die nur noch durch Neuverschuldung und Verschiebung von wichtigen Investitionen aufgefangen werden könne. Die Selbstfinanzierungskraft der Kommunen sei demnach stark rückläufig, was auch die Kreditkonditionen zunehmend verschlechtere. Die Zunahme der Kreditaufnahmen gehe also einher mit höheren Zinsen, was mittelfristig erhebliche Probleme mit sich bringen werde. Während Städte und Gemeinden im ersten Halbjahr 2022 nur 600 Millionen Euro Kreditaufnahmen tätigen mussten, seien es im ersten Halbjahr 2025 bereits 2,6 Mrd. Euro gewesen. Das Gewerbesteueraufkommen sei bisher zwar stabil, jedoch wiesen einzelne Kommunen teils heftige Ausfälle auf und der allgemeine Trend sei bedenklich. Zusätzliche Mindereinnahmen in Höhe von 5,2 Mrd. Euro entstünden durch bundespolitische Vorgaben aus dem Inflationsausgleichsgesetz, Wachstumschancengesetz sowie Steuerfortentwicklungsgesetz. Die Gesamtverschuldung der kommunalen Kernhaushalte summiere sich mittlerweile auf 17 Milliarden Euro. Finanzielle Entlastung schaffe der Finanzausgleich 2026, bei dem der bayerische Anteil 2026 um 846 Mio. Euro auf insgesamt 12,83 Mrd. Euro ansteige. Zusätzlich erhalte der Freistaat 3,9 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen bzw. Schuldenpaket der Bundesregierung. Herr Kronauer fasste die Lage der kommunalen Haushalte abschließend mit den Worten zusammen:
„Wenn wir es auf der Aufgabenseite nicht schaffen, werden wir Steuererhöhungen brauchen.“
Zu diesem Schluss musste man als Zuhörer auch nach dem Vortrag der Ministerialrätin Frau Dr. Laeverenz aus dem Bayerischen Innenministerium kommen. Diese betonte gleich zu Beginn, dass Bayern mit einem historisch beispiellosen negativen Finanzierungssaldo konfrontiert sei. Zwar seien derzeit nur 14 der 2056 kreisangehörigen Gemeinden in vorläufiger Haushaltsführung, jedoch zeige sich die problematische Haushaltslage anhand anderer Kennzahlen. So sei die Zahl der Kommunen ohne ausreichende Mindestzuführung für einen ausgeglichenen Haushalt seit 2019 kontinuierlich gestiegen. Die Referentin führte aus, dass diese Entwicklung als Indikator für die zunehmende finanzielle Instabilität der kommunalen Haushalte gelte. Mittlerweile würden 29 Prozent der bayerischen Kommunen die vorgeschriebene Mindestzuführung nicht mehr erreichen und damit „von der Substanz leben“, also ihren Verwaltungshaushalt auf Kosten kommunaler Sachwerte ausgleichen. In der Folge müssten auch die Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich im kommenden Jahr Großteils für laufende Verwaltungskosten in den Bereichen Personal und Soziales und weniger für Sachinvestitionen aufgewendet werden.
Nach den Vorträgen von Städtetag und Innenministerium folgten verschiedene Beiträge von Vertretern der Privatwirtschaft. Der Wirtschaftsprüfer Dr. Henrik Bremer wies auf die hohe Staatsquote von mittlerweile 50 Prozent hin und warf die Frage nach der Finanzierung der erforderlichen Investitionen in die deutsche Infrastruktur auf. Allein der Finanzbedarf für Strom-, Gas- und Wärmenetze beliefe sich für die Jahre 2025 bis 2045 auf 1,3 Billionen Euro. Zusammen mit den erforderlichen Ersatzinvestitionen in neue Anlagentechnik summiere sich dieser Betrag gar auf bis zu sechs Billionen Euro. Für mindestens 65 Prozent dieser Summe sei die Finanzierung bisher noch völlig ungeklärt. Den ausbleibenden öffentlichen Investitionen stünde ein kostspieliges Engagement des Staates in unsicheren „Zukunftsmärkten“ gegenüber, beispielsweise durch die öffentliche Finanzierung der Batteriezellproduktion (´Northvolt-Pleite´) oder der Wasserstoffwirtschaft. Während hier erhebliche öffentliche Mittel investiert würden, fehle das Geld an anderer Stelle. Allein für die Sanierung der relativ alten Wasser- und Abwassernetze müssten bis 2045 rund 800 Mrd. Euro aufgewendet werden, was eine Vervierfachung der aktuellen Investitionsquote in diesem Bereich bedeuten würde. Gleichzeitig würden die Finanzierungskosten für kommunale Investitionen derzeit ansteigen, weil die Banken das zunehmende Ausfallrisiko mit höheren Zinsen kompensieren würden. Bislang sei kein Ausweg aus dieser Abwärtsspirale bei der Tragfähigkeit kommunaler Sachinvestitionen erkennbar, so das Fazit des Referenten. Die Kommunen müssten daher auch mögliche Einnahmequellen wie den Betrieb von Wärmenetzen oder die Stromerzeugung wieder stärker in den Blick nehmen.
Passend zur ungeklärten Zukunft der kommunalen Haushalte stellte abschließend ein Vertreter des Privatinvestor ´Meridiam´ mögliche öffentlich-private Kooperationen vor. Das Unternehmen investiere z.B. in Verkehrsprojekte, Kommunikations- und Energienetze und biete Kommunen verschiedene Betreiber- und Beteiligungsmodelle an. Nach den vorangegangenen Vorträgen zur angespannten Haushaltslage der Kommunen blieb es jedoch nicht ohne „Beigeschmack“, dass zum Ende der Tagung hin ein privates Unternehmen für zunehmende private Investitionen in die kommunale Infrastruktur warb. Öffentliche Entscheidungsträger sollten trotz der schwierigen Lage sorgfältig abwägen, ob eine Auslagerung kommunaler Dienstleistungen an Privatunternehmen auch langfristig die bessere Entscheidung ist – oder ob damit nur auf den ersten Blick gespart wird. Nachhaltiger und zielführender als ein Ausverkauf der öffentlichen Infrastruktur wäre die Reduzierung der teuren (Pflicht-)Ausgaben vor allem im Sozialbereich und beim Klimaschutz, doch hierfür ist nach wie vor die Bundesregierung gefragt. Bisher sieht es jedoch nicht so aus, als wäre die Lage der Kommunen wirklich im Kanzleramt angekommen. Die Folgen dieses politischen Blindflugs könnten schon bald bei den Bürger in den bayerischen Gemeinden zu spüren sein.