Ein Beitrag von Franz Bergmüller, Metzgermeister, Immobilienunternehmer und bayerischer Landtagsabgeordneter aus Rosenheim:

Die deutsche Automobilindustrie befindet sich in einer tiefen Krise. Sowohl die Hersteller als auch die Zulieferbetriebe leiden unter hohen Produktionskosten in Europa, gleichzeitig sinken die Absatzzahlen infolge der schwachen Konjunktur. Der Niedergang der gesamten Branche lässt sich dabei an zwei Beispielen veranschaulichen: So will VW bis 2030 -also in nur fünf Jahren- jeden vierten Arbeitsplatz abbauen. Auch Deutschlands größter Getriebehersteller ZF will 14.000 Stellen streichen, weil man das Vertrauen in eine günstige wirtschaftliche Entwicklung des Landes verloren hat. Die Pkw-Neuzulassungen in Deutschland waren zuletzt um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen. Zwar konnten BMW, Mercedes und VW ihre Marktanteile in Deutschland leicht steigern, jedoch fielen die Zuwächse mit einstelligen Prozentwerten überschaubar aus. Der neu in den Markt eingetretene Hersteller BYD aus China verbuchte hingegen ein Absatzwachstum von 800 Prozent innerhalb nur eines Monats. BYD konnte damit im europäischen E-Segment innerhalb kurzer Zeit den bisherigen Marktführer Tesla verdrängen und ist weiter auf Expansionskurs. Mittlerweile bietet der chinesische Herausforderer auch einen Hybriden mit Verbrennungsmotor an – eine klare Kampfansage an die europäischen Marken. 

Die deutsche Automobilindustrie gerät also im Inland zunehmend unter Druck, doch dies ist nur eines von zahlreichen existenziellen Problemen der heimischen Hersteller. In den vergangenen Jahren war China der wichtigste Wachstumsmarkt für Audi, BMW und Co. Der chinesische Fahrzeugmarkt ist mit rund 30 Millionen Neuzulassungen zehn Mal größer als der deutsche und wächst im Vergleich zu westlichen Märkten auch stetig weiter. Die deutschen Hersteller investierten daher in den letzten zwanzig Jahren vor allem in China und erreichten in der Spitze einen Marktanteil von knapp 30 Prozent. Jedes dritte Fahrzeug von Mercedes, BMW und Volkswagen wird derzeit noch in China verkauft, doch diese goldenen Zeiten sind ohne jeden Zweifel vorbei. Seit die chinesische Automobilindustrie mit starker Unterstützung der eigenen Regierung auf dem Vormarsch ist, wurden innerhalb weniger Jahre dutzende neue Hersteller aus dem Boden gestampft. Neue Entwicklungen wurden mit massiven Subventionen bzw. Steuerbefreiungen gefördert. Hinzu kommt ein „wirtschaftlicher Patriotismus“, der chinesische Fahrzeugkäufer zur Unterstützung der heimischen Marken animieren soll. Der deutsche Marktanteil hat sich damit innerhalb von nur fünf Jahren halbiert. Mittlerweile drängen chinesische Marken auch im Verbrennersegment nach vorne. Hier ist Geely mit 420.000 verkauften Fahrzeugen (=13% Marktanteil) der neue Marktführer, VW rutscht mit 400.000 verkauften Fahrzeugen auf Platz 3 ab. Während die chinesischen Hersteller bisher nur bei Elektrofahrzeugen eine ernstzunehmende Konkurrenz waren, sind sie es mittlerweile auch bei den Verbrennern. Für die deutschen Marken ist das eine Hiobsbotschaft, weil sie nur in diesem Bereich noch nennenswerte Margen erzielen. Im Elektrosegment hingegen herrscht seit rund vier Jahren ein harter Preiskampf ohne Rücksicht auf (eigene) Verluste. Die Vizepräsidentin von BYD, Stella Li, sagte erst kürzlich zum Unterbietungswettbewerb zwischen chinesischen und ausländischen Marken:

„Es ist ein sehr extremer, harter Wettbewerb…nein, das ist nicht nachhaltig.“

Li bestätigte damit, was in Fachkreisen bereits seit längerem vermutet wird: Auch die chinesischen Marken verdienen derzeit kaum Geld und spielen auf Zeit. Mehrere Insolvenzen kleinerer Hersteller beweisen jedoch, dass man sich auch in China keine dauerhaften Nullsummenspiele leisten kann. Eines steht allerdings fest: Wenn die deutschen Hersteller bei der Konsolidierung des chinesischen Marktes unter die Räder kommen, dann wären die angekündigten Stellenstreichungen erst der Anfang. Einhundert Jahre nach der Weltwirtschaftskrise stünden wir dann erneut vor dem Ruin.

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