Ein Gastbeitrag aus den USA von Toni Schweinzer:
Die Bürgermeisterin von Washington D.C. hat kürzlich den fast schon ikonischen, 170 Meter langen und 16 Meter breiten Schriftzug „BLACK LIVES MATTER“ auf den Straßen von Washington D.C. entfernen lassen. Der Platz an dem sich der Schriftzug befand, der 2020 in Black Lives Matter Plaza umbenannt wurde, bekommt auch wieder seinen alten Namen, Liberty Plaza.
Was vor wenigen Jahren noch als Blasphemie gegen George Floyd gegolten hätte und wohl auch Unruhen ausgelöst hätte, geschah nun am helllichten Tag durch Bauarbeiter in gelben Warnwesten und orangenen Schutzhelmen. Schlichtweg niemand schien sich für die Entfernung des Schriftzugs zu interessieren. Es gab keinen einzigen Protest, keine Unruhen -nichts!
Selbst die Organisation Black Lives Matter scheint mittlerweile schlicht nicht mehr zu existieren. Die Gründerinnen von Black Lives Matter haben sich über die Jahre immer mehr ins Private zurückgezogen.
Der Women’s March (Frauenmarsch) in Washington D.C., der einst am ersten Tag von Trumps erster Amtszeit 2017 noch rund eine halbe Million Teilnehmer sah und damals als die größte jemals dagewesene Demonstration in den USA galt, verzeichnete dieses Jahr einen Rückgang von fast 99 % bei den Teilnehmerzahlen. Nur noch wenige Tausend wollten an einem kalten Januarsamstag durch Downtown Washington ziehen, um zwei Tage vor Trumps zweiter Amtszeit ihren Unmut für mehr Frauenrechte, reproduktive Rechte, Umweltgerechtigkeit, Rassengerechtigkeit, LGBTQ-Rechte, Einwanderungsrechte, Antimilitarismus, Klimaschutz und Demokratie kundzutun.
Und nun scheint es die LGBTQ-Pride-Bewegung und ihren Pride Month („Stolz-Monat“) Juni zu erwischen. Seit einigen Jahren gilt zwar der Juni als der Monat in dem LGBTQ Personen „zelebriert“ werden. Es gibt Massenumzüge durch die wichtigsten Städte des Landes aber auch durch fast jede Kleinstadt im Mittleren Westen, im Fernsehen wird bei schlicht jeder möglichen Gelegenheit kundgetan dass man die LGBTQ Bewegung unterstützt, in Cafés gibt es plötzlich Regenbogenkuchen und an so ziemlich jeder Eingangstür jedes Geschäfts klebt ein Regenbogen-Aufkleber.
Aber dieses Jahr bahnt sich in den USA der wohl ruhigste und unspektakulärste Pride-Monat an den es jemals gab.
Bei Pride-Organisatoren im ganzen Land fehlt plötzlich das Geld für Paraden, da unerwartet die Sponsoren abspringen. Dazu gehören die größten Konzerne des Landes, von denen viele seit Trumps Amtsantritt ein Ende ihrer woken Diversitätsprogramme angekündigt haben. Einige haben sogar bereits erklärt, im Juni keine TV-Spots mehr mit Pride-Thematik zu senden.
So kämpft plötzlich die größte Pride-Parade der USA in San Francisco mit einer Finanzierungslücke von einer Million Dollar. Da die großen Sponsoren ausbleiben, darunter auch Meta, der Konzern von Facebook, versucht man nun, das Geld über Kleinspenden einzusammeln – notfalls sogar, indem man von Tür zu Tür geht.
Es deutet sich an, dass dieses Jahr in den USA viele Pride-Paraden, Pride-TV-Spots und Pride-Bekenntnisse von Promis einfach ausfallen. Vor zwei oder drei Jahren war so etwas noch undenkbar.
Man fragt sich, inwieweit diese Bewegungen überhaupt jemals wirklich „Bürgerbewegungen“ waren. Waren sie auf Gelder angewiesen, die es plötzlich nicht mehr gibt? Und woher kamen diese Gelder? Diese Fragen sind wichtig, vor allem weil dieses Phänomen bei linken Kulturbewegungen oder NGOs immer häufiger beobachtet werden kann. Während Donald Trump die Bundesmittel für verschiedene NGOs und gemeinnützige Organisationen streicht und Großkonzerne ihren Aktivismus zurückfahren, zerfallen einige der größten Protestbewegungen der Linken. Sie erweisen sich als längerfristig nicht tragfähig. Es ist fast so, als wären sie nie wirklich so populär gewesen.
Toni Schweinzer
Miami, Florida
20.03.2025