Ein Bericht von Franz Bergmüller, Metzgermeister, Immobilienunternehmer und bayerischer Landtagsabgeordneter aus Rosenheim:
Die staatliche Akademie für politische Bildung in Tutzing veranstaltete Ende November eine außenpolitische Konferenz zu Japan und dessen Nachbarstaaten. Die Dozenten der Tagung setzten sich dabei aus Politik- und Staatswissenschaftlern, darunter Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter von verschiedenen Hochschulen, Denkfabriken und politischen Instituten, zusammen. In den Vorträgen zur japanischen Wirtschaftspolitik wurde die proaktive Industrieförderung Japans seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgehoben. Japan musste immer wieder längere Phasen von Niedrigwachstum, deflationären Gefahren und hoher Staatsverschuldung meistern, was auch gegenwärtig der Fall ist. Die japanische Regierung setzt dazu industriepolitisch gezielt Schwerpunkte und fördert diese dann auch unter Aufnahme neuer Schulden. Derzeit investiert Japan bis 2030 rund 65 Mrd. Dollar in die Halbleiterindustrie und hat dazu das Konsortium „Rapidus“ bestehend aus Sony, Toyota, Denso sowie dem US-Konzern IBM ins Leben gerufen.
Historisch betrachtet hat die aktive staatliche Industrieförderung in Japan jedoch auch zu Misserfolgen geführt. So nutzte die Privatwirtschaft in den 80er Jahren günstige staatliche Kredite, um damit statt wertschöpfender Investitionen risikoreiche Finanzspekulationen zu tätigen. In der Folge trat eine massive Insolvenzwelle ein, was die japanische Industriepolitik bis heute beeinflusst. Auch der Versuch, das Wirtschaftswachstum mit Zinsabsenkungen zu steigern, hat ähnlich wie in Großbritannien und der Eurozone auch in Japan kaum funktioniert. Erfolgreicher war die japanische Industrieförderung durch Ausweitung der Staatsverschuldung, um damit staatliche Investitionen in die Wirtschaft zu ermöglichen. Zwar hat Japan in der Folge eine deutlich höhere Bruttoverschuldung von 250 % des BIP (im Vergleich: DE 50 %), die Hälfte dieser Anleihen wird jedoch von der eigenen Zentralbank gehalten. Mit diesen Geldern hat Japan bereits lange vor China Infrastrukturmaßnahmen in anderen Ländern finanziert und damit eine Art Vorreiterrolle zur Neuen Seidenstraße eingenommen. Neben ökonomischen Aspekten wurde auch die japanische Demographie beleuchtet. Dabei identifizierte der Dozent die starke Überalterung der Gesellschaft als größtes Risiko für die japanische Wirtschaft. Bereits heute ist Japan die Demokratie mit der ältesten Wählerschaft weltweit.
In einem weiteren Vortrag der Tagung beleuchtete ein Referent des Auswärtigen Amtes die deutsche Indo-Pazifik-Politik. Er betonte, dass die Bundesregierung ihre Politik nicht als „gegen China“ verstanden haben wolle. Man habe jedoch zur Kenntnis genommen, dass China die russische Invasion der Ukraine unterstützt. Weiterhin habe die Bundesregierung festgestellt, dass Gegner der chinesischen Regierung auch in Deutschland von chinesischen Akteuren verfolgt werden. Der Dozent betonte weiterhin, dass Deutschland als Exportnation auf freie Handelswege angewiesen ist und kein Interesse an protektionistischen Maßnahmen habe. Die EU sei wichtigster Entwicklungspartner von Südostasien und auch wirtschaftlich eng verwoben. So könnte die deutsche Wirtschaft alleine durch einen Ausfall der taiwanesischen Halbleiterlieferungen um 15 Prozent einbrechen. Nach einer Studie liefen im vergangenen Jahr 64 Prozent der weltweiten Auftragsfertigungen von Halbleitern über Firmen aus Taiwan. Die Bundesregierung will daher geopolitische bzw. außenhandelspolitische Risiken streuen und v.a. weniger von China abhängig sein. Sie arbeitet dazu wirtschaftlich, klima- und sicherheitspolitisch mit immer mehr Akteuren im Indo-Pazifik zusammen. Weiterhin habe man in diesem Jahr die Zusammenarbeit mit Indien stark ausgebaut. Dies ist bemerkenswert, da Indien als Mitglied der BRICS-Staaten auch ein enger Partner Russlands ist. Zumindest hier scheint die Außenpolitik der Bundesregierung also ausnahmsweise nicht ideologisch, sondern rational zu sein.