Den ganzen Sommer und Herbst über konnten Millionen Amerikaner jede Woche gut gelaunt in ihr Aktiendepot schauen:  Die Börse kannte nur eine Richtung – nach oben. Der DOW, der S&P 500 und der NASDAQ liegen dieses Jahr alle mit mehr als 10 % im Plus.

Doch zuletzt zeigten sich die Märkte nervös.

Der Dow Jones verzeichnete an einzelnen Tagen zeitweise  Rückgänge von über 800 Punkten. Den Marktteilnehmern wurde klar: Die Probleme liegen oben, an der Spitze des Marktes, bei den Aktien mit den aufgeblähten Bewertungen, die den ganzen Markt bewegen.

Die „Magnificent Seven“ – ein Boom auf schmaler Basis

Der Großteil der Kursgewinne an den US-Börsen konzentriert sich auf gerade einmal sieben Aktien – die „Magnificent Seven“ („die glorreichen Sieben“): Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta und Tesla. Der Begriff stammt aus dem Jahr 2023 und beschreibt jene Tech-Giganten, die dank Marktmacht, Innovationsstärke und globalem Einfluss die Börsen dominieren.

Gemeinsam stehen sie heute für rund 35 % der gesamten US-Marktkapitalisierung – nur 7Unternehmen von insgesamt etwa 4.000. Man glaubt, die Märkte gehen davon aus, dass die Künstliche Intelligenz etwas Größeres wird als nur das Internet.

Beispiel Nvidia

Der US-Konzern Nvidia ist führend bei Hochleistungs-GPUs und KI-Chips und dominiert weltweit die Bereiche künstliche Intelligenz, Rechenzentren und Computergrafik.

Nvidias Börsenwert übersteigt inzwischen den Wert der 40 größten deutschen DAX-Unternehmen zusammen – sogar doppelt. Anders gesagt: Nvidia ist so viel wert wie, zusammengerechnet, SAP, Siemens, Deutsche Telekom, BMW, Airbus, Allianz, Mercedes-Benz, RW….und und und – mal zwei!

Zeitweise war Nvidia sogar mehr wert als die gesamten Börsen einzelner Länder.

Skepsis am Markt:  KI-Unternehmen nur ein zirkulierender Geldkreislauf?

Doch in den vergangenen Monaten wächst die Erkenntnis: Viele dieser Konzerne besitzen kein stabiles Geschäftsmodell. Stattdessen investieren sie vor allem in sich selbst – und setzen auf KI-Gewinne, die womöglich nie in dieser Form eintreten. Statt realer Wertschöpfung entsteht zunehmend der Eindruck einer zirkulierenden Milliardenwirtschaft, in der Gelder innerhalb derselben Player hin- und hergeschoben werden. Sind das Scheinumsätze?

Beispiele dieser Kapital-Kreisläufe – am Fall OpenAI

OpenAI ist bekannt als der Mutterkonzern von ChatGPT. OpenAI ist zwar selbst nicht an der Börse, jedoch wird es immer mehr durch die Magnificent Seven finanziert. Einige dieser Finanzierungen deuten auf erstaunliche Geldkreisläufe hin:

  • Microsoft investierte über 13 Mrd. Dollar in OpenAI – und OpenAI gab dann einen Großteil davon wieder bei Microsoft für Cloud-Dienste aus.
  • Oracle plant Investitionen von 300 Mrd. Dollar in neue Rechenzentren für OpenAI – und OpenAI soll nahezu denselben Betrag für die Nutzung dieser Kapazitäten an Oracle zahlen.
  • Nvidia kündigte Investitionen von rund 100 Mrd. Dollar in OpenAI an – die OpenAI wiederum nutzen wird, um Nvidia-Chips zu kaufen.

Das Geld dreht sich also weitgehend im Kreis – doch ein Milliardeninvestment oder ein Milliardenumsatz führt an der Börse zu Bewertungen, die 100- bis 200-mal so hoch sind. Mit anderen Worten : Ein Investment von 1 Milliarde Dollar wird an der Börse mit mindestens 100 Milliarden Dollar quittiert. Ein schönes Geschäft für die Aktionäre, aber eine Entwicklung, die zunehmend als irrational erscheint.

Was aber passiert, wenn eines dieser Unternehmen eines Tages enttäuscht? Alle hängen am selben Tropf.

Ein Crash an der Wall Street. Die Folgen für Deutschland.

Ein Crash an der Wall Street hätte sofortige und langfristige Folgen für Deutschland – vor allem, weil die deutsche Wirtschaft bereits schwächelt. Der DAX würde innerhalb weniger Tage einbrechen, weil er stark mit US-Tech und globalen Konjunkturerwartungen korreliert. Deutsche Großkonzerne wie SAP, Siemens, Mercedes, BMW und Deutsche Bank haben hohe US-Umsatzanteile und würden massiv an Wert verlieren. 

Die Altersvorsorge vieler Deutscher (Fonds, Lebensversicherungen) würde schrumpfen – der private Konsum würde einbrechen. Ein US-Crash würde die ohnehin fragile deutsche Konjunktur in eine tiefe, möglicherweise mehrjährige Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit und Deflationstendenzen stürzen. 

2008/09 nach dem Crash an der Wall Street hat der DAX 55 % verloren, und die Wirtschaft schrumpfte um über 5 % – diesmal könnte es ähnlich oder schlimmer werden, weil Deutschland weniger fiskalischen Spielraum und keine billige Energie mehr hat.

Ich sage nicht, dass ein Crash unmittelbar bevorsteht. Aber: Die USA stehen ganz klar inmitten einer KI-Blase.  Die Frage ist nicht mehr, ob diese Blase existiert – sondern, wann und wodurch sie platzen könnte?

Toni Schweinzer
Miami
4.12.2025

Kategorien: Gastbeitrag