Ein Bericht von Franz Bergmüller, Metzgermeister, Immobilienunternehmer und bayerischer Landtagsabgeordneter aus Rosenheim:

Die Projektentwicklungsgesellschaft Max von Bredow Baukultur (MvB) veranstaltete Ende September 2024 im Münchener Gasteig den jährlichen Baukulturtag. Motto der diesjährigen Veranstaltung war die `Transformationsoffensive´ im Bausektor, worunter MvB die Vereinfachung und ökologische sowie soziale Optimierung des Bauens versteht. Dozenten aus Bauwirtschaft, Forschung, Architektur sowie Kommunalpolitik steuerten dazu mit ihren Impulsvorträgen ganz unterschiedliche Einblicke in die gegenwärtigen Herausforderungen und Chancen im Bauwesen bei. Der Architekt Prof. Dr. Florian Nagler von der TU München verdeutlichte gleich zu Beginn seines Vortrages, dass Bauen in Deutschland aufgrund überbordender Vorschriften zu komplex und damit teuer geworden sei. Vor allem die immer aufwändigere Haustechnik sei sowohl technisch als auch finanziell in vielen Fällen kaum noch darstellbar. Auch der erzielbare energetische Nutzen aufwändiger Lüftungs- und Heizungssysteme sei zu hinterfragen, wie Prof. Nagler an einer Studie der TU München veranschaulichte. Die Forscher fanden dabei heraus, dass ein hoher Baustandard mit umfangreicher Gebäudetechnik wegen ungünstigem Nutzungsverhalten der Bewohner nicht zur berechneten Energieeinsparung führt. Bei der Untersuchung von Gebäuden mit aufwändigen Raumlüftungsanlagen und Wärmerückgewinnung stellte man fest, dass die technologischen Vorteile durch das Nutzungsverhalten (=Faktor Mensch) häufig ausgehebelt werden. Kurz gesagt: Je effizienter das Gebäude, desto verschwenderischer der Umgang mit Energie. In einer Serie von baugleichen Altbauwohnungen lag die Bandbreite des Energieverbrauchs gar bei 20 bis 300 kWh pro m² – je nach Heizverhalten der Bewohner. Die baulichen Mehrkosten vor allem für Haustechnik, die häufig nur infolge gesetzlicher Vorgaben entstehen, müssen angesichts dieser Erkenntnisse also kritisch hinterfragt werden. Die beste (gesetzlich vorgeschriebene) Lüftungsanlage oder luftdichte Gebäudehülle nützen nichts, wenn die Bewohner unzweckmäßig lüften.

In einem weiteren Vortrag berichtete der Bürgermeister des oberbayerischen Tyrlachings passend zum Thema „Wirtshauskultur erhalten“ über den Erwerb und die Sanierung des alten Gasthofs zur Post durch die Gemeinde selbst. Die Kommune mit rund 1000 Einwohnern hatte das stark sanierungsbedürftige Wirtshaus 2012 erworben, aufwändig saniert und um Vereinsräume, einen Bürgersaal sowie Trausaal erweitert. Im Vortrag wurde deutlich, dass derartige Vorhaben gerade für kleinere Kommunen mit geringem Steueraufkommen ohne externe Finanzierung kaum noch darstellbar sind. Tyrlaching erhielt für das Projekt Zuschüsse u.a. über die Städtebauförderung und den Denkmalschutz. Weitere Einnahmen erzielt die Gemeinde über die Verpachtung des sanierten Gasthofs und die Vermietung der vielseitig einsetzbaren Räumlichkeiten für Veranstaltungen. In der anschließenden Diskussion betonte der Bürgermeister, dass angesichts hoher Baukosten eine exklusive Raumnutzung, z.B. ein Schießstand ohne Zweitnutzung, nicht mehr zeitgemäß sei. Gerade kommunale Vorhaben zum Erhalt historischer Liegenschaften sollten daher eine möglichst flexible Raumnutzung vorsehen.

Ein weiterer Vortrag kam von der Lebenshilfe Traunstein, die unter anderem in Unterwössen eine Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung betreibt. Das Neubauprojekt hat insofern Modellcharakter, da zahlreiche Bewohner des Heims in dem integrierten, öffentlich zugänglichen Bistro des Wohnheims arbeiten. Dort wird einerseits Laufkundschaft bedient, andererseits werden umliegende Schulen und Kindergärten mit frisch zubereiteten Speisen beliefert. Das Wohnheim mit angeschlossener Gastronomie ist also einerseits Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Behinderung, gleichzeitig können die Bewohner der Einrichtung direkt am eigenen Wohnort einer Arbeit nachgehen. Das Projekt will so die bisher übliche Abtrennung von Einrichtungen für behinderte Menschen überwinden und die Inklusion in die Gesellschaft damit voranbringen. Die Erfahrungen in Unterwössen seien dabei bisher durchweg positiv.

Das Fazit zum Baukulturtag 2024 lässt sich passend zum Motto der `Transformationsoffensive´ kurz zusammenfassen: Der Bausektor braucht eine Rückbesinnung auf das tatsächlich Notwendige und auf die wirklichen Bedürfnisse der Menschen. Eine kostentreibende Bürokratie und immer neue Bauvorschriften lähmen zunehmend die gesamte Bauwirtschaft; gleichzeitig entfernt sich die moderne Bauweise immer weiter von den Anforderungen der Bewohner. Transformation im Bauwesen muss also heißen: Zurück zum gesunden Menschenverstand.

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