Neun Monate vor der US-Wahl erscheint eine zweite Amtszeit von Joe Biden immer unwahrscheinlicher. 

Donald Trump, der in den Vorwahlen der Republikaner von Staat zu Staat Erfolge feiert, scheint die Nominierung seiner Partei bereits in der Tasche zu haben. In den Umfragen führt er immer deutlicher gegen Biden. So hat Trump in 15 der letzten 16 großen Umfragen gegen Biden gepunktet. Trump führt teilweise mit +10 Punkten! Trump führt auch in sechs der sieben wichtigen „Swing States“, die alle vier Jahre die Wahl entscheiden. Bidens Zustimmungswerte und Kompetenzwerte (Wirtschaft, Außenpolitik, Inflation usw.) hingegen sind auf Tiefstständen; mit solchen Werten hat noch nie ein Präsident eine Wiederwahl gewonnen. Laut einer jüngsten Umfrage von NBC halten 86 % der Amerikaner Biden mittlerweile für zu alt für das Amt. Bei den Demokraten wächst der Unmut über Joe Biden. 

Nach einer schwierigen vorletzten Woche voller Rückschläge, gezeichnet von Patzern über die verstorbenen François Mitterrand und Helmut Kohl, wurde es für Joe Biden mit der Veröffentlichung des Abschlussberichts des Sonderermittlers zu seiner Dokumentenaffäre noch schlimmer. Der Bericht enthüllte beunruhigende Details: Bei einem Treffen mit dem Sonderermittler im Jahr 2023 konnte sich Joe Biden nicht mehr erinnern, von wann bis wann er Vizepräsident im Weißen Haus war. Auch wusste er nicht mehr, in welchem Jahr sein Sohn verstarb. Die Ermittler beschrieben die Gespräche mit Biden als schmerzhaft mühsam, da er große Probleme hatte, sich an Dinge zu erinnern.

Der Sonderermittler kam in seinem Bericht jedoch zu dem Ergebnis, dass Joe Biden ein Mann mit altersbedingten Gedächtnisproblemen sei und daher eine Anklage vor einer Jury wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Immerhin wäre er bis zu einem Gerichtsverfahren weit über 80 Jahre alt und eventuell aus dem Amt ausgeschieden. Dieser Bericht hat nun in den USA eine Debatte darüber entfacht, ob Joe Biden mit seinen 81 Jahren nicht einfach zu alt für das Amt des Präsidenten sei und ob die Demokraten nicht doch einen alternativen Kandidaten brauchen.

Bisher haben die Demokraten es vermieden, eine Alternative zu Joe Biden ins Gespräch zu bringen. Der Bericht des Sonderermittlers setzt sie jetzt jedoch unter Druck.

Aufgrund des Wahlprozedere und einiger politischer Hürden wäre es für die Demokraten nicht einfach, Joe Biden im Falle seiner erneuten Kandidatur für einen anderen Kandidaten auszutauschen. Das wahrscheinlichste Szenario für die nächsten Monate ist daher, dass Biden bei den Vorwahlen auf dem Ticket bleibt aber dass die Partei bei ihrem  Nominierungsparteitag im August einen anderen Kandidaten zum Präsidentschaftskandidaten krönt.

Bei den Vorwahlen der Demokraten hat Biden so gut wie keine ernstzunehmenden Gegner. Er wird daher alle Voraussicht nach bis zum Nominierungsparteitag genug Wahlmänner hinter sich bringen, die ihm auch die Nominierung garantieren können.

Selbst wenn sich noch ein Kandidat zum späten Eintritt in das Rennen entscheiden sollte, wären dessen Chancen wenig aussichtsreich. Bis zum Ende des Monats März ist die Anmeldefrist in allen bis auf sieben Staaten abgelaufen. Das Zeitfenster schließt sich. 

Der Präsident wird wohl schon bis zum 5. März, dem Super Tuesday (Super Dienstag), bei dem in fünfzehn Bundesstaaten gleichzeitig gewählt wird, genug Wahlmänner für die Nominierung hinter sich bringen können.

So bliebe einfach nur eine offene Revolte der Deligierten auf dem Nominierungsparteitag.

Es gibt also wirklich nur eine Alternative: Der Präsident gibt das Zepter zur Macht aus eigenem Entschluss ab. Am Parteitag der Demokraten könnte er dann offiziell die Nominierung nicht annehmen und stattdessen die Delegierten dazu aufrufen, einen alternativen Kandidaten zu finden. Die Delegierten wären dann frei in ihrer Entschlussfindung. Es wäre wohl ein Abtritt in Würde für einen Mann der über 50 Jahre die Politik in Washington beeinflusst hat.

Tony Schweinzer

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