Ein Kommentar von Franz Bergmüller, Metzgermeister, Gastwirt und Abgeordneter des Bayerischen Landtags:

Das Robert-Koch-Institut war in der Coronakrise die maßgebliche wissenschaftliche Institution zur Erarbeitung der Infektionsschutzmaßnahmen. Im RKI kamen Entscheider aus Politik und Wissenschaft zusammen und diskutierten Lockdown, Ausgangssperren und Maskenpflicht – und damit die umfassendsten Grundrechtsbeschränkungen der Nachkriegsgeschichte. Noch bis vor kurzem war es geheim, aufgrund welcher Erkenntnisse dort hinter verschlossenen Türen über die Freiheit von 83 Millionen Bürgern beraten wurde. Vor wenigen Monaten klagte das Multipolar-Magazin um den Investigativjournalisten Paul Schreyer jedoch erfolgreich auf Offenlegung der internen RKI-Protokolle. Bereits mit den ersten, weitgehend geschwärzten Dokumenten wurde deutlich, dass zahlreiche Coronamaßnahmen ohne wissenschaftliche Grundlage und häufig auf Drängen der Politik eingeführt wurden. Das RKI hat nun nach öffentlicher Kritik an den zensierten Protokollen eine weitgehend entschwärzte Fassung nachgereicht. Die Dokumente belegen auf schockierende Weise, wie die Wissenschaft in der Krise zum Spielball der Politik wurde. Zahlreiche Zitate aus den bislang geheimen Berichten offenbaren ein beispielloses Totalversagen von Politik, Forschung und Verwaltung. So behandelt z.B. das RKI-Protokoll vom 21. Oktober 2020 die Maskenpflicht bei Grundschülern, wie sie in tausenden Schulen teils monatelang vorgeschrieben war. In den Dokumenten heißt es dazu wörtlich: 

„Kritisch diskutiert wird Maskenpflicht für Grundschüler, evtl. Langzeitfolgen.“

Das RKI sah also die Gefahr von Langzeitfolgen – die Öffentlichkeit und vor allem die Eltern wurden darüber jedoch mit keiner Silbe informiert. Im Gegenteil: Eltern, die sich gegen die Maskenpflicht für Grundschulkinder einsetzten, wurden als Querdenker diffamiert. Die jetzt freigegebenen Protokolle thematisieren auch die politische Unabhängigkeit des Instituts. Im Bericht vom 5. Mai 2020 geht es unter anderem um das Thema der Inzidenz als Indikator für das Infektionsgeschehen:

„Indikatoren bereit zu stellen wird aus fachlicher Sicht weitgehend abgelehnt, jedoch werden diese nachdrücklich von politischer Seite eingefordert (eine diesbezügliche Weisung ist jedoch nicht erfolgt). Die genannte Inzidenz kommt aus einer Diskussion zwischen BM Braun und BM Spahn. […] Bei fehlender fachlicher Grundlage für die Entwicklung der gewünschten Indikatoren müsse dies klar kommuniziert werden, um die Glaubwürdigkeit des Instituts nicht zu gefährden.“

Das RKI wusste also um die begrenzte Aussagekraft der Inzidenz, ließ jedoch die Irreführung und Verunsicherung der gesamten Bevölkerung tatenlos geschehen. Besonders gravierend erscheint auch die Tatsache, dass das RKI mindestens seit 1. März 2021 über mögliche Neuinfektionen unter Geimpften Bescheid wusste. Die Öffentlichkeit hingegen wurde erst ab Juli 2021 schrittweise darüber informiert, dass geimpfte Personen eben nicht (wie anfangs versprochen) eine sterile Immunität erworben haben. Im Protokoll heißt es dazu:

„Nach der Vorstellung […] zur Evidenz von ReInfektionen und Infektionen von Geimpften sowie dem Vorgehen anderer Länder (Israel), EU-Plänen zu Impfausweis sollte die Empfehlung des RKI zu Quarantäne von Geimpften und Genesenen in Zukunft angepasst werden.“

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das RKI hat zwar intern immer wieder massive Zweifel an den politischen Maßnahmen geäußert, jedoch öffentlich stets der Regierung den Rücken gestärkt. Die zuständigen RKI-Mitarbeiter haben also dazu beigetragen, dass Millionen Menschen ohne erkennbaren Nutzen ihrer Freiheitsrechte beraubt und in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet wurden. Eine Aufarbeitung ist angesichts der Tragweite der Krise nicht nur erforderlich, sie sollte in einem Rechtsstaat vielmehr selbstverständlich sein. Die SPD-Abgeordnete Heike Engelhardt sagte dazu kürzlich in einer Bundestagsdebatte:

„Worum es jetzt ausdrücklich nicht gehen darf, ist, Verantwortliche zu suchen, Schuldfragen hin- und herzuschieben oder halbgare Verschwörungsideen zu verbreiten.“

Bei allem Verständnis, aber das kann man auch anders sehen. Wer als Wissenschaftler oder Politiker wider besseren Wissens dazu beigetragen hat, ein ganzes Land der Freiheit zu berauben, der kann sich im Nachgang nicht einfach aus der Verantwortung stehlen. Die Gerichte werden bei nachgewiesenem Vorsatz darüber entscheiden müssen, wer der Gesellschaft mutwillig geschadet hat – und ob er dafür bestraft werden muss. Dies heute schon pauschal zu verneinen, entspricht nicht meinem Verständnis von Rechtstaatlichkeit.

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