In den folgenden Wochen stellen wir das neue Energiekonzept von MdL Franz Bergmüller für die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr vor:

Perspektiven für den Strom-Sektor

Während noch vor wenigen Jahrzehnten einige hundert Großkraftwerke die gesamte deutsche Stromversorgung sicherstellten, sind heute weit über drei Millionen Anlagen an das Strom- und Regelungsnetz angeschlossen. Der Regelungsaufwand sowie die technischen Risiken haben mit der Anlagenzahl sowie der digitalen Vernetzung stark zugenommen. Allein die Kosten für Netz- stabilisierungsmaßnahmen sind in den vergangenen zehn Jahren von rund 200 Millionen auf heute 4,3 Milliarden Euro jährlich angestiegen. Der gesamte Investitionsbedarf für die Erreichung der sogenannten Klimaschutzziele wird bis 2030 auf 600 Milliarden Euro beziffert. Trotz dauerhaft hoher staatlicher Investitionen wird die Versorgungslage im Stromsektor zunehmend schlechter.

Die innerdeutsche Stromerzeugung ist mit der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke stark zu- rückgegangen, während mit der Sektorenkopplung mittels Elektrifizierung des Wärme- und Ver- kehrssektors der Verbrauch gesteigert wird. In der Folge müssen teilweise bis zu 14 Gigawatt Leistung aus dem Ausland importiert werden. Weiterhin führt der politisch herbeigeführte Strommangel regelmäßig zu stark steigenden Börsenpreisen.

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Abbildung 1: Bruttostromerzeugung nach Energieträgern 2022 und 2023

Abbildung 2 zeigt für sämtliche in der Stromerzeugung verwendeten Energieträger den Unterschied zwischen installierter Leistung und tatsächlichem Beitrag zur Erzeugung. Besonders die Diskrepanz bei der Photovoltaik belegt, dass wetterabhängige erneuerbare Energien eine große Überdeckung der installierten Leistung benötigen, um rechnerisch auf eine vergleichbare Erzeugung wie grundlastfähige Kraftwerke zu kommen. Die durchschnittlichen jährlichen Volllaststunden/Vollbenutzungsstunden unterscheiden sich je nach Technologie und Standort.

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Abbildung 2: Installierte Leistung und Erzeugung 2023

Da es bei Windkraft und Photovoltaik zum völligen Ausfall der Einspeisung kommen kann („Dun- kelflaute“), muss die gesamte Leistung mit konventionellen Kraftwerken gespiegelt werden. Volatile Systeme reduzieren also den Bedarf an gesicherter Leistung nicht. Die installierte Leistung liegt in Deutschland mittlerweile bei rund 250 Gigawatt, obwohl die Spitzenlast im deutschen Netz nur ca. 70 Gigawatt beträgt. Trotz dieser großen Überdeckung sind regelmäßig Stromimporte erforderlich, weil erneuerbare Energien nicht ausreichend verfügbar sind und der konventionelle Kraftwerkspark politisch abgewickelt wurde.

Die Stromimportkapazitäten sind physikalisch begrenzt, da die Übertragungsleitungen aus dem Ausland nicht unbegrenzt Leistung übertragen können. Deutschland kann beim derzeitigen Stand des Netzausbaus maximal 18,5 Gigawatt Leistung importieren. Dieser Wert sagt jedoch nichts darüber aus, ob der Kraftwerkspark der Nachbarländer diese Leistung auch tatsächlich bereitstellen könnte. Nach zwei Jahrzehnten Energiewende müssen nun zeitweise bereits über 14 Gigawatt importiert werden. Damit nähert man sich zunehmend dem Grenzwert der Übertragungsleistungen, ab dem Lastabwürfe erforderlich würden.

Wichtigste energiepolitische Sofortmaßnahme ist daher die Ausweitung der innerdeutschen Stromerzeugung durch Reaktivierung des gesamten konventionellen Kraftwerksparks. Der Kohleausstieg ist hierzu rückgängig zu machen, der Wiedereinstieg in die Kernenergie vorzubereiten. Die Stilllegung weiterer grundlastfähiger Kraftwerke muss verhindert werden. Es bedarf weiterhin einer Strategie für den Erhalt des Bestands an Biogasanlagen sowie eine Investitionsoffensive für neue Gaskraftwerke. Der Bau privater Photovoltaikanlagen ist unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit (Regelbarkeit) und ohne neue Subventionen zu unterstützen, im besten Fall in Kombination mit kleineren Stromspeichern.

2a) Exkurs: Versorgungssicherheit

Elektrische Energie ist heute für die Grundversorgung der Bevölkerung unverzichtbar. Die Gesellschaft befindet sich damit in einer potenziell gefährlichen Abhängigkeit, die durch die fortschreitende Elektrifizierung im Rahmen der Sektorenkopplung stetig weiter zunimmt. Großflächige Stromausfälle werden zunehmend wahrscheinlicher, da die politisch erzwungene Transforma- tion des Energiesystems technische Risiken unberücksichtigt lässt. Durch die zunehmende Digitalisierung der Erzeugungs- und Verbrauchsseite werden beide anfälliger für Angriffe von außen. Auch physikalische Effekte wie die Abnahme der rotierenden Schwungmasse im Stromnetz infolge von Kraftwerksabschaltungen wirken sich kritisch auf die Versorgungssicherheit aus. Zusätzlich bewirkt die volatile Einspeisung von Windkraft und Photovoltaik eine starke Zunahme an Regeleingriffen in das Stromnetz. Diese technischen Verwerfungen müssen zukünftig in der Energiepolitik berücksichtigt werden, um unnötige Risiken für die Gesellschaft, wie z.B. einen Blackout, zu vermeiden.

Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag bewertet die Auswirkungen eines großflächigen Stromausfalls wie folgt:

„Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Ge- biet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (le- bens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffent- liche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib undLeben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden.“

Der Versorgungssicherheit muss folglich ein größerer Stellenwert eingeräumt werden. Dies ergibt sich auch aus der staatlichen Verantwortung für die öffentliche Daseinsvorsorge.

Kategorien: Energie