Im Folgenden werden die wichtigsten Energieträger nach Verfügbarkeit, technischem Potenzial sowie Wirtschaftlichkeit bewertet. Weiterhin werden sinnvolle parlamentarische Initiativen aufgeführt.

2. Kernenergie

Überblick

Die Kernenergie muss in einem zukünftigen deutschen Energiesystem, das nicht auf Stromimporten beruhen soll, eine tragende Rolle spielen. Heimische Ressourcen wie Braunkohle sind begrenzt, auch wenn ihre Reichweite teilweise noch mehrere Jahrhunderte beträgt. Die globalen Uranvorkommen ermöglichen eine langfristige Nutzung von Kernenergie. Weltweit sind dutzende Kernreaktoren im Bau, unter anderem in Frankreich, der Türkei und Polen. In der Slowakei ging 2023 ein neuer Block im Kernkraftwerk Mochovce ans Netz.

Eine kurzfristige Wiederinbetriebnahme der deutschen Kernkraftwerke ist nach Aussagen der Betreiber sowohl technisch als auch organisatorisch nicht mehr möglich. Die meisten deutschen Kernkraftwerke befinden sich mittlerweile im Rückbau, weiterhin wurden infolge des beschlossenen Ausstiegs nicht zwingend erforderliche Investitionen unterlassen. Auch fehlt mittlerweile in größerem Umfang Personal, sodass ein kurzfristiger Wiedereinstieg unwahrscheinlich ist.

Deutschland sollte umgehend in die Erforschung neuer Reaktortypen einsteigen. Die aktuelle Generation IV verspricht einen massiven Gewinn an Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Bislang wurde erst eine Anlage neuester Bauart in Betrieb genommen, es handelt sich dabei um den gasgekühlten Hochtemperaturreaktor im chinesischen Kernkraftwerk Shidaowan. Wichtigster Vorteil dieses Reaktortyps ist die inhärente Sicherheit, die bei Ausfall der Kühlung automatisch auch eine Unterbrechung der wärmeerzeugenden Kettenreaktion bewirkt. Neuartige Reaktorkonzepte könnten darüber hinaus die energetische Verwertung von bestehenden atomaren Abfällen ermöglichen, wobei dieser Ansatz bisher nur in der Theorie existiert. In Deutschland wird mit dem Dual-Fluid-Reaktor ein eigenes System der Generation IV entwickelt, wobei hier dringend eine öffentliche Forschungsförderung erforderlich ist.

Aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie des enormen Investitionsbedarfs ist es aktuell unwahrscheinlich, dass sich in Deutschland selbst nach Schaffung einer Rechtsgrundlage private Investoren für neue kerntechnische Anlagen finden würden. Weiterhin wurden Forschung und Lehre im Bereich Kerntechnik in den vergangenen Jahren stark vernachlässigt, sodass für den Bau neuer kerntechnischer Anlagen schlichtweg das Personal fehlt. Der Wiedereinstieg in die Kernenergie müsste also voraussichtlich mit einem staatlichen Entwicklungs- und Finanzierungsprogramm verbunden werden, wobei mit dem Generation IV International Forum bereits eine internationale Kooperation besteht, in der auch Deutschland über Euratom beteiligt ist. Die Mitgliedsstaaten des Forums sind: Argentinien, Brasilien, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Japan, Kanada, Südafrika, Südkorea, Vereinigte Staaten, Schweiz, Europäische Atomgemeinschaft (Euratom), Russland, Volksrepublik China sowie Australien. Deutschland sollte sein Engagement umgehend ausweiten und vor allem massiv in Forschung, Entwicklung und die Absicherung von Uranlieferungen investieren.

Verfügbarkeit und Potential

Während der Bau eines Kernkraftwerks mit europäischen Mitteln und Kompetenzen realisierbar wäre, liegt im Bereich der Brennstoffversorgung eine vollständige Abhängigkeit von Lieferstaaten vor. Die wichtigsten Uranerz-Vorkommen liegen nach Angaben der Internationalen Atomenergieorganisation in den USA, Niger, Australien, Kasachstan, Namibia, Südafrika, Kanada, Brasilien, Russland, der Ukraine sowie Usbekistan. Der Wiedereinstieg in die Kernenergie muss also bereits heute mit der Erschließung von Handelsbeziehungen zur Uranbeschaffung begleitet werden. Sollte die energetische Verwertung atomarer Abfälle in neuen Reaktortypen mittelfristig gelingen, könnte Deutschland die in der Vergangenheit eingelagerten Spaltprodukte nutzen und die Importabhängigkeit damit reduzieren. Dies wäre auch im Hinblick auf eine möglicherweise angespannte Versorgungslage mit Uran in der Zukunft sinnvoll.

Während Kernenergie früher lediglich dem Stromsektor zugerechnet wurde, ermöglicht die Sektorenkopplung zukünftig eine Nutzung im Wärmesektor sowie in der Mobilität. Relativ preiswerte elektrische Energie aus Kernkraftwerken könnte den gegenwärtigen Trend zur Wärmepumpe mittelfristig ergänzen und damit die Abhängigkeit von Öl und Gas in der Wärmeerzeugung reduzieren. Während der Verbrennungsmotor im Bereich der Individualmobilität auch in Zukunft unverzichtbar bleibt, könnte günstiger „Atomstrom“ z.B. im elektrifizierten öffentlichen Nahverkehr, der Stadtreinigung etc. Anwendung finden. All diese Szenarien hängen jedoch davon ab, ob die Politik den Weg für eine Renaissance der Kernenergie freimacht.

Wirtschaftlichkeit

Die Bau- und Betriebskosten neuer Kernkraftwerke der Generation IV in Deutschland können derzeit noch nicht seriös abgeschätzt werden, da weltweit erst eine vergleichbare Anlage in Betrieb genommen wurde. Eine Ausarbeitung des Deutschen Bundestages weist für neue Kernreaktoren Stromgestehungskosten zwischen 12 und 19 Cent je Kilowattstunde aus. Abgeschriebene Kraftwerke im Bestand verursachen Gestehungskosten von rund 2,6 Cent je Kilowattstunde.

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