Aus dem reaktionären Tagebuch: Ein Gastbeitrag des Journalisten Gert Bachmann.
Tag vier des Shutdown. Die Sonne scheint. Der Himmel wolkenlos. Die Vögel zwitschern. Der Blick aus dem Fenster weitgehend harmonisch frühlingshaft.
Der Gang auf die Straße weitgehend stressfrei. Wenige Personen entgegenkommend. Der Einkauf geruhsam. Keinerlei Mängel im Hinblick auf die Ausstattung der Regale. Beim Eingang mannshohe Stapel Bier. Beim Ausgang mannshohe Stapel Toilettenpapier.
Die bestellten Bücher in der Post. Eine Woche vor avisiertem Liefertermin.
Nach dem Verstauen der Einkäufe sowie der Post erinnert man sich Friedrich Torbergs „Tante Jolesch“. Eine Gruppe von Redakteuren, welche damals noch ihren „Schreibtisch“ im Wiener Kaffeehaus hatten, war gezwungen sich auf Sommerfrische zu begeben. Niedergeschlagen wie murrend machten sie sich auf den Weg. Zur Aufmunterung erklärte der Älteste sinngemäß: Das Essen ist nicht schlecht. Im Kaffeehaus habens alle Zeitungen. Und des bisserl frische Luft werma auch aushalten.
Die Versuchung zu folgenden Gedanken liegt auf der Hand: So lässt sich der Ausnahmezustand aushalten.
Ohne Defätismus verbreiten zu wollen, sind dennoch kritischere Gedanken angebracht. Man erinnert sich der Weisheit, dass der Krieg der Vater des Staates ist. Sowohl der Erste wie der Zweite Weltkrieg fungierten als Katalysatoren für Arbeitnehmerrechte, Gewerkschaften, Sozialstaat, behördliche Eingriffe in das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Eine gesellschaftliche Revolution im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Friedrich August von Hayek veröffentlichte sein Werk „Der Weg zur Knechtschaft“ aus Sorge, dass die Kriegswirtschaft ihre Fortsetzung in der Nachkriegszeit finden würde. Geregelte Preise, verordnete Rationen, Planwirtschaft, Lenkung der Industrie etc. Schließlich konnte nicht jedes Rüstungsunternehmen Panzer und Bomber bauen wie es wollte. Was für eine kriegführende Nation überlebenswichtig ist, kann in Friedenszeiten zur Einschränkung der Freiheit führen.
Ohne die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft in Frage stellen zu wollen, sind Parallelen zwischen Hayeks Befürchtungen und aktuellen Sorgen gestattet.
Was heute überlebensnotwendig sein kann, um das Virus einzudämmen, Menschenleben zu retten sowie die drohende Rezession abzufedern und rasche Erholungsphasen vorzubereiten, kann auch zu einem Weg in eine neue Knechtschaft führen.
Was patriotische wie konservative Geister begrüßen, sind der Rückbau des Globalismus und die Wiederbelebung des Nationalstaates. Lieferketten werden entflochten und verkürzt. Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln sowie im Gesundheitssystem bei Krisenfällen stehen wieder auf der Tagesordnung. Die Möglichkeit Staatsgrenzen innert Stunden zu schließen und effektiv zu schützen, hat ab sofort einen Präzedenzfall in der Geschichte der EU. Und es gibt ein Familienleben nach der Schließung von Kita wie Ganztagsschule. Gemäß dem Konzept der „Big Society“ wie des Kommunitarismus.
Was patriotische wie konservative Geister mit Sorge erfüllt, ist die Ausweitung staatlicher Befugnisse in enormen Ausmaß. Das Attribut beispiellos sollte bewusst vermieden werden. Beispiele gab es bzw. gibt es in der Geschichte in totalitären Systemen sowie in der Gegenwart in semi-totalitären oder autoritären Systemen.
Daher begegnet der kritische Geist Aussagen des österreichischen Kanzlers bzw. der deutschen Kanzlerin mit Misstrauen. Nicht im Hinblick auf die Befolgung der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, sondern im Hinblick auf die historischen Analogien. Die Zeit zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Virus war zwar von Wiederaufbau, Wohlstand wie Frieden geprägt, aber auch von Bedrohungen, Krisen und Herausforderungen. Berliner Luftbrücke, Berlinkrise, Kubakrise, Ungarnaufstand, Ölkrisen, Prager Frühling, 68er Revolten, RAF, Nachrüstung, NATO-Doppelbeschluss etc.
Auch 1989 hätte als Katastrophenjahr in die Geschichte eingehen können. Wenn die verantwortlichen Staatsmänner und Staatsfrau Thatcher weniger umsichtig gehandelt hätten. Wiedervereinigung wie Fall des Eisernen Vorhangs sind dem Westen nicht in den Schoß gefallen. Fortunas Saum muss durch Tatkraft ergriffen werden.
Die Versuchung, welche von den aktuellen Maßnahmen für Regierungen, Bürokraten, Sozialisten wie Klimaschützer ausgeht, darf keine einzige Sekunde lang unterschätzt werden. Der Weg aus der Virus-Krise verläuft parallel zum Weg Richtung Kreislaufwirtschaft. Zwischen der Vermeidung andere Menschen anzustecken und eine klimaneutrale Gesellschaft zu schaffen liegt lediglich eine fließende Grauzone.
Verzicht, Beschränkung, herabgelassene Rollläden, geschlossene Werkshallen, Warteschlangen, leere Regale, Rationierung, Verstaatlichung, rotierende Geldpressen, am Boden stehende Flugzeuge, Ausgangssperren, kontrollierte Berichterstattung sind nicht nur die vorübergehende Begleitmusik zur Überwindung der Virus-Krise. Es ist die wiederkehrende Melodie des real existierenden Sozialismus. Und es könnte zur fortgesetzten Melodie der Verwirklichung von „Fridays for Future“-Utopien avancieren.
Als historisches Modell zur Überwindung des Virus verbleibt der angelsächsische Weg. Wirtschaft, Gesellschaft und Medien einigten sich mit der Regierung auf einen Schulterschluss. Unter Inkaufnahme von Entbehrungen wie Freiheitsbeschränkungen. Unter der Bedingung der Wiederherstellung der Normalität, sobald die Bedrohung erfolgreich abgewendet ist. Dies muss zur wiederkehrenden Melodie in der jetzigen Lage reifen.
Gert Bachmann